– Ergänzung:
Als mein Haus überflutet wurde, wurden die Stoffe und die teilweise fertigen Teile dieses Kostümes zerstört.
Sollte ich mich also nicht dazu entscheiden, alles noch einmal zu machen, so dienen diese Seiten nur als Erinnerung und Dokumentation dessen, was ich vor der Zerstörung schon gemacht hatte.
Das erste, was ich tat, als ich meinen Stoff bekam, war, mir Gedanken darüber zu machen, wie ich das Schnittmuster von Margo Anderson dazu verwenden könnte, damit es für diese Ärmel funktioniert. Versteht mich nicht falsch, Margo’s elizabethanische Schnittmuster sind meines Ermessens nach die Besten der Welt, aber für *einige* Projekte, wie dieses hier, muß man sie verändern.
Die grobe Form des spanischen Ärmels bei Margo’s Schnittmuster sieht so aus:
Eine Hälfte des Spanischen Ärmels aus Margo’s Schnittmuster.
Das ist für den ‚üblichen‘ spanischen Ärmel natürlich richtig, auch wenn im Buch von Alcega der Ärmel überraschenderweise mit einer fast geraden, leicht nach innen gebogenen Kurve zur Schulter hin anstelle der modernen, nach außen zeigenden und leicht gebogenen Kurve dargestellt wird. Ich glaube aber, dass ich besser damit lebe, wenn ich das moderne Layout benutze, da die nach innen gebogene Kurve nichts ist, was ich für den Ärmel des Portraitkleides benutzen würde können, wie ihr sehen werdet.
Schauen wir mal aufs Gemälde…
…und da sehe ich, dass der untere Bogen an den ‚Slashes‘ gar keine Kurve ist. Da scheint noch nicht mal ein Winkel zu sein – die geschnittenen Streifen scheinen recht gerade zu sein, während sie sich um die Rückseite des Armes legen. Auch ist an der Rückseite dieser Streifen keine Naht sichtbar – was bedeutet, das der Ärmel aus einem einzigen Stück Stoff geschnitten ist.
Wie ich schon anhand des Portraits bewiesen habe…
…laufen die Streifen im Schrägschnitt, während es die vordere Öffnung des Ärmels eben nicht tut.
Also müßte das Schnittmuster etwa so aussehen:
Wahrscheinlich das extravaganteste Schnittmuster-Layout, das ich jemals für einen spanischen Ärmel gesehen habe, aber DIESE Ärmel SIND ja auch extravagant, oder?
Dieses Layout stellt sicher, daß die vorderen Öffnungen des Ärmels im Fadenlauf geschnitten werden, während die Streifen alle im Schrägschnitt sind. Es würde ebenfalls sicherstellen, daß ich den unteren Bogen des Ärmels noch mit Bändern verschließen kann, wie es im Originalgemälde der Fall ist.
Ich bin allerdings nicht so sicher, daß das untere Band auf diese Weise nicht ein wenig zu lang wird – sie SIND im Portrait ja recht lang, ganz besonders die unteren… ich denke, ich werde es einfach versuchen müssen und dann sehen, wie es aussieht.
Das Schnittmuster muß allerdings in einem Punkt überarbeitet werden. Wenn ich mir das Portrait ansehe, so habe ich den Eindruck, daß die Öffnung des Ärmels sich nicht an der Mitte der Schulter befindet, sondern leicht nach vorne verschoben ist. Das Ergebnis dieser Überarbeitung würde dann so aussehen…:
Ich habe die vordere Öffnung ein bisschen weiter nach vorn verschoben. Die Mitte der Schulter ist jetzt rechts, und ein wenig nach innen gesetzt.
Ja, ich denke, das könnte funktionieren. Obwohl die vorderen Kanten natürlich ein wenig gebogen werden müßten, und die ‚Handgelenks‘-Teile ein bißchen getabbt aussehen müssen.
Die untere Kante des Ärmels – der schon erwähnte ‚Handgelenks-Teil‘ – muß vorn auch so breit wie hinten sein.
Oh, und die Stelle, an der die äußere Kurve (die ja mit Bändern gebunden wird) auf den letzten Streifen trifft, muß auch etwas spitzer sein.
Das Schnittmuster-Layout scheint übrigens relativ historisch zu sein – es spart nämlich Stoff! Seht mal, wie zwei Stücke davon auf ein Stück Stoff passen:
Gutes, stoffsparendes Layout des linken und rechten Ärmels
Wenn ich nun annehme, daß die Seitenlänge des benötigten Stoff-Rechteckes etwa 70×100 cm beträgt, und das historischer Stoff eine Breite von etwa 70cm hat, könnte dieses Layout tatsächlich funktioniert haben.
Das bedeutet auch, daß mein 140cm breiter moderner Stoff für VIER spanische Ärmel reicht (da ich ja die äußere und innere Seite zuschneiden muß, und zwar jedes Mal für rechts und links), und dabei brauche ich nur einen Meter Stoff zu verbrauchen.
Hmm, ich hätte mir das Layout überlegen sollen, BEVOR ich den Stoff bestellte – ich werde am Ende etwa zwei Meter übrig haben, wenn ich die ‚orangenen‘ Teile des Kleides fertig habe…
Nicht, daß mich das stören würde. Ich LIEBE große Stoffreste. Vielleicht könnte ich auch den ‚weißen‘ Teil des Doublets davon machen, und später noch mehr für den Petticoat bestellen…?
Verdammt, ich bin manchmal so stolz auf die Sachen, die sich mein Gehirn ausdenkt, wenn es 3:44 morgens ist… und da gab’s mal Leute, die behaupteten, ich könne keine Schnittmuster herstellen… hoffen wir mal, das das, was ich hier theoretisch durchdacht habe, auch in der Realität funktioniert 😉
Ich muß nur noch irgendwie hinbekommen, daß die Streifen von oben nach unten kürzer werden. Im Schnittmuster haben sie noch eine Art Pyramidenform, aber die unteren Streifen haben eine größere Distanz zur vorderen Öffnung als die Streifen im Portrait.
Mittlerweile habe ich das Layout getestet – und das Portrait nochmal studiert. Nun komme ich zu folgenden Schlußfolgerungen:
- Die Streifen müssen tatsächlich mit irgendwas stabilisiert sein, was hinten angebracht ist.
Am linken Ärmel kann man das sogar sehen:Die Streifen scheinen eine Art ‚Ende‘ unter dem Arm zu haben. Da ist ein Bereich, der ganz deutlich nicht in Streifen geschnitten ist.
Das bestätigt meine Theorie über die ‚vordere Öffnung, die von der Mitte der Schulter nach vorn verlegt wurde‘ – der nicht-geschnittene Bereich ist genau unter der Achsel, was ihn am Besten versteckt. Der vordere ‚untere / innere‘ Teil des Ärmels ist das schmalste Schnittmusterstück, der obere / äußere Teil ist das breiteste, also muß dieser die breitesten eingeschnittenen Streifen haben, was darin resultiert, daß dort die längsten geschnittenen Streifen sitzen, die man auch im Portrait sehen kann. - Die leichte Kurve der vorderen Öffnung ist, zumindest auf der Innenseite, offensichtlich ein Ergebnis von kleinen Kurven, die an die ansonsten gerade Öffnung angenäht sind. Da scheint im Portrait eine sichtbare Naht zu sein:So… DAS ist also das Geheimnis (was immer noch stoffsparend ist!).
Also müßte die endgültige Version des Ärmelschnittmusters so aussehen (vordere Kurven nicht eingezeichnet):
Schnittmuster mit dem ‚Ende‘ der eingeschnittenen Streifen unter der Achselhöhle. Die Schnitte an dem ‚äußeren‘ Ärmel sind länger als die ‚inneren‘ Schnitte, außerdem verjüngen sich die Streifen zur Rückseite des Ärmels hin – genau wie im Gemälde.
Nun ja, was soll ich sagen. Hier sind ein paar Bilder des ausgeschnittenen Stoffes, wobei die innere Kurve noch nicht eingeschnitten ist, aber die Schnitte sind durchaus auf dem Stoff aufgezeichnet (am besten zu sehen auf dem dritten Bild). Die Ärmel sind mit den Futterstücken zusammengenadelt, aber noch nicht zusammengenäht.
Das erste Bild zeigt die vordere Öffnung (die ich mit der Hand offen halte), das zweite zeigt die Ärmel von der Rückseite und das letzte Bild von der Seite.
Und dann war ich in so einer Art Dilemma.
So sehr ich die Ärmel auch fertigmachen wollte, wenn ich sie ERST besticke und DANN herausfinde, daß diese geschnittenen Streifen (oder sogar das Schnittmusterlayout) nicht funktionieren würden, dann würde ich sie erneut besticken müssen – denn wenn die Ärmel einmal eingeschnitten sind, gibt es keine Möglichkeit, sie wieder zusammenzusetzen.
Allerdings, wenn ich die Ärmel erst einschneide, dann wird die Stickerei viel schwieriger.
Nachdem ich über eine Lösung länger nachgedacht hatte als sonst, hatte ich mich dann entschieden, erst die Schnitte zu machen. Die Stickerei WIRD dann schwieriger – aber zumindest wäre sie nicht umsonst.
Übrigens…
nicht eine Sekunde habe ich darüber nachgedacht, ein Testobjekt aus billigem Stoff zu machen, und zwar einfach deswegen, weil ich Testobjekte hasse. Man braucht so viel Arbeit für nichts (außer, wenn sie nachher als Futter dienen können).
Nach einem SEHR kurzen Test am ersten Schnitt war mir auch klar, daß die ‚umgedrehte-Kante‘-Methode nicht funktionieren würde. Entlang der Schnitte sah das noch gut aus, aber an den Ecken wollte sich der Stoff einfach nicht so biegen, wie er sollte. Also würde ich die Schnitte mit Schrägstreifen versäubern müssen, die ich ebenfalls aus dem Stoff würde schneiden müssen (und nun ratet mal, wie dankbar ich in dem Moment war, als mir einfiel, daß ich ja nun zwei Meter mehr Stoff hatte als eingeplant waren!).
Nunja – fünf Schnitte pro Ärmel – das sind zehn Schnitte, die pro Ärmel mit Schrägband versäubert werden müssen, und somit zwanzig auf beiden Ärmeln. Nehmen wir mal an, daß jeder Schnitt eine Länge von einem Meter hat, dann macht das 20 x 2 (weil man sie ja oben und unten versäubern muß!), also 40 Meter Schrägband, die ich machen muß – oh, und aufnähen muß… *seufz*…
Ich würde Euch gerne Bilder der eingeschnittenen, aber noch nicht mit Schrägband versäuberten Ärmel zeigen – aber da die Kanten der Schnitte keinen Saum haben, und die Schnitte deshalb nicht stabilisiert sind, hängen sie eher schlaff runter als zu ’stehen‘ – äh, ich glaube, es gibt keine jugendfreie Art, das zu beschreiben, also müssen wohl doch Bilder her…
Im Falle dessen, daß ihr euch wundert: Ja, jeder Streifen hat an der Kante eine Naht. Das habe ich getan, um Stoff- und Futterlage aufeinanderzuheften.
Es ist ein seltsamer Moment – nachdem ich das halbe Doublet schon bestickt habe, bin ich etwas enttäuscht davon, wie die Ärmel aussehen.
Ich *weiß*, daß sie richtig aussehen werden, sobald die Schnitte mit den Schrägstreifen versäubert sind, ich die vordere Kurve angenäht habe und sobald sich da ein menschlicher Arm in dem Ärmel befindet, der die Schulter nach außen drückt, die vordere Öffnung auseinanderhält und den Ärmeln etwas Substanz verleiht… aber ich bin trotzdem etwas enttäuscht.
Ich hatte so gehofft, daß die ‚umgedrehte-Kante‘-Methode für die Schnitte funktionieren würde 🙁
Ich bin nicht wegen der zusätzlichen Arbeit enttäuscht… nur darüber, daß die Ärmel so ‚müde‘ aussehen. Die geschnittenen Streifen sehen aus, als hätten sie lange nicht geschlafen 🙁
Außerdem, um ehrlich zu sein – ich bin auch deswegen enttäuscht, wie die Ärmel von der Seite und von hinten aussehen. Sie sind einfach nur… naja… zerstört. Ich weiß, daß sie so aussehen SOLLEN und werde mich auch sicher irgendwann daran gewöhnen, aber… ich bin enttäuscht (ich glaube, ich sagte das schon ein paar Mal, oder?).
(Das könnte damit zu tun haben, daß ich momentan aus anderen Gründen depressiv bin, aber mal ehrlich – der momentane Zustand der Ärmel hilft mir nicht wirklich dabei, die Depression los zu werden)
Ich glaube, daß dieses Projekt, oder zumindest seine Ärmel, momentan zu einem Halt gekommen sind. Ich muß erstmal diese Depression loswerden, bevor ich an den Ärmeln weitermachen kann.
Nur gut, daß ich die Stickereien am Doublet als eine sehr nette, langweilige und ablenkende Arbeit empfinde, während ich depressiv bin…