Mai 202011
 
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Seidensamt selbst ausbrennen

Wie funktioniert das eigentlich technisch gesehen?

Einfach, weil ich glaube, daß sie notwendig sind – ein paar Erklärungen im Voraus.

Der Prozeß des Ausbrennens (welcher in einigen Fällen auch bei seinem französischen Namen, Dévoré, genannt wird) funktioniert mit Hilfe einer chemischen Flüssigkeit, welche auf die Rückseite des Samtes aufgetragen und nach dem Trocknen gebügelt wird.
Die Chemikalien sind nicht wirklich flüssig, sondern haben eine Textur wie Gel. LEST SORGFÄLTIG DIE ANLEITUNG für die Ausbrenner-Chemikalien. Manche müssen vor der Verwendung gemischt werden (aus einer Art Gel und einem groben Salz – diese Mischung sollte etwa 15 Minuten stehen, nachdem man sie gemischt hat, und danach noch mal ordentlich durchgeschüttelt werden), andere wiederum kommen fertig in nur einer Flasche. Bei den zu mischenden Chemikalien sollte die Anleitung zur Mischung besonders sorgfältig gelesen werden – falsches Mischen kann zur irreversiblen Beschädigung des Stoffes führen.

Die Chemikalien funktionieren nur auf Stoffen, welche als Mischgewebe sowohl aus natürlichen Proteinfasern (wie Seide und Wolle) als auch aus natürlichen oder halbnatürlichen Nicht-Proteinfasern (wie Viskose, was ein Baumwollderivat ist, oder Baumwolle, Leinen etc.) gewebt wurden. Seiden- / Viskosesamt ist ein gutes Beispiel, es gibt aber auch Seiden- / Viskosesatin oder Organza etc. pp.

Die Chemikalien werden nur die natürlichen Nicht-Proteinfasern entfernen. Das heißt, wenn man sie beispielsweise aus 100%igem Viskose- oder Baumwollsamt verwenden würde, so könnte man damit Löcher in den Samt brennen, da bei diesen Stoffen natürlich auch der Rücken aus diesen Materialien gewebt wurde.
Die Flüssigkeiten funktionieren überhaupt nicht auf chemischen Fasern wie z. B. Polyester- oder auch Pannesamt.
Am Besten funktioniert die Technik also auf z. B. Seiden- / Viskosesamt oder ähnlichen Mischungen.

Und so funktioniert’s:
Als erstes muß man – nach dem eventuell notwendigen Mischen der Chemikalien – die Flüssigkeit auf den Rücken des Samtes auftragen (Hinweis: Das ist die Seite de Stoffes, die keinen weichen Flor hat!). Im Falle von Satin wäre es die stumpfere Seite.


Flüssigkeit aufgetragen auf die Rückseite des Samtes

Es ist sehr hilfreich, eine Vorlage zu verwenden; wenn der Samt noch weiß (also nicht gefärbt) ist, dann kann man einfach unter den Samt eine schwarzweiße Vorlage legen. Da der weiße Stoff die schwarzen Muster durchschimmern lassen wird, kann man die Vorlage durch den Stoff sehen und direkt auf dem Stoff darüber arbeiten.
Ich selbst benutze üblicherweise eine kleine Flasche, welche man normalerweise verwendet, um Gutta oder Outliner bei Seidenmalerei aufzutragen. Austauschbare feine Spitzen sorgen dafür, daß man auch sehr kleine Muster ganz gut gestalten kann.
Wenn während dem Auftragen der Chemikalie was schief läuft – wie zum Beispiel wenn man an der falschen Stelle getropft, etwas verschmiert hat oder aber z. B. einen Text einbrennen wollte und dann festgestellt hat, daß die Vorlage unter dem Stoff nicht gespiegelt war (bitte immer dran denken – ihr arbeitet auf der Rückseite des Stoffes. Alles, was ihr dort tut, wird auf der Vorderseite spiegelverkehrt erscheinen!) – dann kann man, so lange der Stoff noch nicht gebügelt ist, die Flüssigkeit mit klarem Wasser auch wieder auswaschen und von vorne beginnen.

EIN PAAR SICHERHEITSRATSCHLÄGE
BEVOR ICH DEN NÄCHSTEN SCHRITT ERKLÄRE:

Ich weiß, daß ich mich vollkommen paranoid anhören muß, wenn ich immer wieder dasselbe mit immer wieder denselben dramatischen Ratschlägen schreibe, die in einigen Fällen sich vielleicht sogar lustig lesen mögen.
Glaubt mir aber bitte, daß ich nicht grundlos meine Zeit dafür opfere, hier Sicherheitsmaßnahmen herunterzubeten – denn für mich war es überhaupt nicht lustig, schmerzhafte Fehler zu machen, um überhaupt auf solche Ratschläge zu kommen.
Das Ausbrennerfluid ist BÖSE.
Wenn ihr es aus welchem Grunde auch immer irgendwo auf die Haut bekommt, dann RENNT ZUM BADEZIMMER und WASCHT EUCH GRÜNDLICH.

Jede Sekunde zählt!

Die Flüssigkeit mit einem nassen oder trockenen Tuch abzuwischen, reicht nicht!Hier sind ein paar Bilder meiner Hand, die mal für etwa eine Stunde in Kontakt mit der Flüssigkeit war (ich hatte sie nur abgewischt, anstatt sie zu waschen, und habe mit dem Waschen gewartet, bis ich fertig mit meiner Malerei war, was etwa eine Stunde dauerte), und so wie unten sah die Hand einen Tag später aus.


(Ihr dürft fragen, warum ich so gruselige Bilder ohne Vorwarnung veröffentliche. Das ist, weil ich auf die „harte Tour“ gelernt habe, die Sicherheitsmaßnahmen für diese Arbeit zu beachten und deshalb das dringende Bedürfnis verspüre, andere zu warnen.
Es ist ja nicht so, daß ich die Anweisung „Gummihandschuhe tragen“ auf der Flasche nicht gelesen hätte – aber ich kenne das, wie schnell denkt man „Oh, wieso denn, ich will doch nur schnell….“. Ja, ich wollte „auch nur schnell“, und habe heute Narben der oben gezeigten Verätzungen an meiner Hand.)

Bügelt den getrockneten Stoff in einem GUT DURCHLÜFTETEN RAUM. Das heißt, zumindest sollte das Bügelbrett am weit offenen Fenster stehen. Wenn ihr irgendeine Möglichkeit habt, draußen zu bügeln, dann macht das. Egal ob drinnen oder draußen, nach Möglichkeit solltet ihr noch eine Art Schutzbrille (eine Taucherbrille leistet phantastische Dienste!) tragen.
Ich hatte mal eine ERNSTHAFTE Augenentzündung von dem Ausbrennerqualm,
der in meine Augen kam. Der Arzt sagte, ich hätte verdammtes Glück gehabt, nur zwei Wochen Schmerzen zu haben, anstatt für den Rest meines Lebens blind zu sein.

(Ich erspare Euch hier ein Bild meiner entzündeten Augen, da ich hoffe, daß die Bilder meiner Hand oben reichen, um Euch die Sicherheitsmaßnahmen beachten zu lassen!)

Nachdem die Flüssigkeit als *dünne* Schicht aufgetragen wurde und getrocknet ist, muß der Samt von der Rückseite (also von der Seite, auf welcher die Chemikalie aufgebracht wurde) gebügelt werden. Man braucht ein bißchen Übung, um das richtig zu machen. Nach dem Bügeln sollten die bemalten Stellen idealerweise die Farbe eines guten Toasts haben.
Wenn sie eher so aussehen, als wäre das Toast zu lange im Toaster gewesen, dann müßt ihr ein wenig mehr üben – entweder durch Reduzierung der Bügeltemperatur oder dadurch, daß ihr das Eisen schneller über den Stoff bewegt. Habt ihr nach dem Bügeln richtig braune oder gar schwarze Stellen im Stoff, könnt ihr sicher sein, daß dort auch der Seidenrücken ausgebrannt wurde und spätestens bei der ersten Wäsche dort bricht (was natürlich auch bei der Färbung sein kann).
Wenn die bemalten Stellen anscheinend ihre Farbe gar nicht verändern (sie also weiß oder nur leicht gelb sind) dann müßt ihr die Bügeltemperatur erhähen oder das Eisen langsamer bewegen.
Wie ich schon sagte – man braucht etwas Übung, und irgendwie verhält sich jeder Stoff – sogar Seidensamte von verschiedenen Händlern! – genau wie unterschiedliche Ausbrennerfluids und deren Neuanmischungen anders, also komme ich nicht mit einer Faustregel à la „bei Stufe 2 1/2 6 Sekunden auf einer Stelle bleiben“, sondern gebe lieber den Rat, vor jedem Ausbrennen an einem kleinen Stück zu testen, wie man bügeln muß.
Ich WEISS, wie übel es sein kann, wenn einem mitten auf dem Stoff auf einmal Löcher in den Rücken des Stoffes gebrannt werden, wo sie ÜBERHAUPT NICHT gebraucht werden können.

Nun – nachdem Eure bemalten, getrockneten und gebügelten Stoffstücke eine schöne, halbwegs ebenmäßige toastähnliche Farbe angenommen haben, könnt ihr den Stoff umdrehen (das heißt – mit der Samtseite nach oben) und was erstaunliches erleben (zumindest, wenn ihr das zum ersten Mal macht… 😉 ):
Ihr könnt mit dem Fingernagel an den bemalten Stellen den Flor einfach abkratzen.
Und bevor ihr jetzt in vollkommene Panik ausbrecht, weil ihr Unmengen von Flor vom Stoff kratzen müsst – keine Angst.
Der Flor kann, nein, sollte besser abgewaschen werden (da dies sanfter ist als ein kratzender Fingernagel), daher ist alles, was ihr tun müßt, Euren Seidensamt (oder welche Webart ihr auch immer ausgewaschen habt!) in der Maschine zu waschen (lest meine Anmerkungen zum Waschen von Seidensamt in der Maschine hier am Ende der Seite), was übrigens dann auch eine gute Gelegenheit ist, den Stoff zu färben.
Während dieser Wäsche wird der Samt den ausgebrannten Flor verlieren, und der Flor wird einfach mit dem Waschwasser weggespült – so einfach ist das! Habt keine Angst, daß der gelöste Flor die Maschine verstopfen wird – dafür ist er viel zu fein.

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  4 Responses to “Seidensamt selbst ausbrennen”

Comments (4)
  1. Könnten Sie mir bitte sagen, wo ich den Dévorant in Berlin kaufen kann?
    Vielen Dank

  2. Hast du denn auch eine Anleitung, die Chemikalie herzustellen?

    • Um Himmels Willen nein! *lol*
      Diese Chemikalien kauft man fertig. Ich benutze die Version von Dupont – zum Beispiel hier (recht weit unten auf der Seite) erhältlich; das nennt sich „Dupont Devorant“. Wobei mich übrigens gerade irritiert, daß auf der Seite zwar die Paste (in ml) verkauft wird, das Salz aber in der Liste fehlt (andererseits kann es auch sein, daß die das einfach so mitliefern – fragen hilft! Ich komme mit meiner Literflasche schon Jahre aus.)
      Soll’s übrigens auch von anderen Firmen geben; ich habe aber ausschließlich Erfahrungen mit dem Dupont-Devorant.
      Hoffe, das hilft 🙂

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